Der Einsatz von Reiki in der Gewaltprävention

Veröffentlicht von Marco Hennings am

»Reiki ist für mich ein ideales Werkzeug, mit dem ich die Herzen von jungen Menschen schnell erreichen kann. Sie können durch Reiki lernen, sich selbst und andere Wertzuschätzen, ihr Selbstvertrauen zu stärken und ihre Mitte zu finden»

Reiki Meister Marco Hennings


Vor einigen Jahren bot Marco Hennings in der Jugendstrafanstalt Hahnöfersand in Niedersachsen zusammen mit dem Sozialarbeiter der Einrichtung ein Reiki-Seminar zur Gewaltprävention für Insassen an.


Nach Gesprächen mit den Insassen über die Ursachen von Aggression und über tieferliegende Ängste leitete er die Teilnehmer dazu an, sich zuerst selbst und schließlich einander die Hände aufzulegen. Die Erfahrung, sich gegenseitig etwas Gutes zu tun und zu entspannen, war das Gegenteil von dem, wozu sie konditioniert worden waren. Hier berichtet er von seinen Erfahrungen.


Mein Reiki Meister sagte mir einmal: „Wer gelernt hat mit seinen Händen eine andere Person zu verletzen, sollte zum Ausgleich auch lernen mit den Händen zu Heilen. So erlangt man seine „Mitte“ zurück.“

Das ist nun 26 Jahre her und es stimmte was er damals zu mir sagte. Durch meine persönliche Erfahrungen mit Reiki erlangte ich als junger Mann meine Mitte zurück und wurde von einem aggressiven Jugendlichen, zu einer entspannten und liebevollen Persönlichkeit die erkennen durfte welche großartigen Potentiale in ihr steckten. Und ich freue mich, dass ich heute diesen Erfahrungsschatz an andere weitergeben darf.


Viele Jahre später, nachdem ich den Satz meines Reiki Lehrers zum ersten mal gehört hatte, überschlugen sich die Meldungen über Jugendgewalt in den Medien gerade mal wieder, und ich bekam die Möglichkeit mit jugendlichen Häftlingen in der Justizvollzugsanstalt Hahnöfersand mit Reiki zu arbeiten.

Reiki im Gefängnis

Wer schon einmal ein Gefängnis gesehen hat, weiß wie es sich anfühlt, wenn man sich dem Eingang nähert. Die meisten Leute wollen einen solchen Ort so schnell wie möglich wieder verlassen. Hohe Zäune mit Stacheldraht, Wachtürme, verschlossene Tore, Kameras. Kein besonders einladender Anblick. Ich aber wollte da unbedingt hinein.

Man hört oft von Angeboten, die die Menschen durch Druck oder sogar Gewalt auf einen besseren Weg bringen sollen. Wie zum Beispiel Bootcamps in Amerika. Meine Idee war aber eine völlig andere, denn durch die persönlichen Erfahrungen, oder die meiner Schüler in meinen Reiki Seminaren wusste ich, dass Reiki einen Menschen auf viel sanftere Art positiv beeinflussen und zum Guten verändern kann.


Natürlich ist es eine gute und auch wichtige Sache einen jungen Menschen der vom Weg abgekommen ist, z.B durch ein Box-Trainingscamp klare Strukturen, Grenzen und Regeln anzubieten und zu vermitteln.

Meiner Meinung nach ist es aber genauso wichtig, dem Menschen dann nicht nur zu zeigen wie man einen Schlag richtig ausführt, sondern das man ihm ebenso aufzeigt, wie er mit seinen Händen einen anderen Menschen helfen kann. Oder sogar sich selbst.

Die Reiki Kunst ist dafür Ideal, denn sie ist für jeden leicht zu erlernen, ist sofort anwendbar und man erzielt sehr schnell positive Resultate.

Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass wütende Menschen unter extremer Anspannung stehen? Haben Sie schon einmal versucht wütend oder aggressiv zu sein wenn sie völlig entspannt waren? Natürlich nicht, oder? Denn das ist auch unmöglich. In einem entspannten Zustand sind wir gar nicht in der Lage wütend oder aggressiv sein.

Wie kommt das eigentlich?

Wut verbraucht eine Menge Lebensenergie – Liebe schenkt uns Lebensenergie

Zu wenig Energie bedeutet Anspannung – Ausreichend Energie bedeutet Entspannung.

Und genau an diesem Punkt setze ich mit der Reiki Energie und ihrer tiefenentspannenden und transformierenden Wirkung an.

Mein Assistent und ich entwickelten zunächst ein Konzept für unser Vorhaben.
Herr Tamm-Berg suchte für unser Projekt sechs geeignete Jugendliche im Alter von 17 bis 21 Jahren aus und bereitete alles weitere für einen reibungslosen Ablauf vor. Wir benötigten ca. 6 Wochen für unsere Vorbereitungen. Das Projekt sollte über zwei Tage gehen, in denen die Häftlinge von mir in den sogenannten 1.Reiki Grad eingeweiht werden sollten.

Die Haftleitung in Hahnöfersand war sehr hilfsbereit und unterstützte unsere Arbeit auf jede erdenkliche Weise. Wir durften die Sporthalle für diese zwei Tage ungestört benutzen und es wurden uns auch mehrere Wachleute zur Verfügung gestellt.

Am ersten Tag stellte ich mich den jungen Häftlingen vor und eröffnete ihnen was in den nächsten zwei Tagen auf sie zukommen sollte. Zuerst waren sie skeptisch, besonders nachdem Worte wie „Handauflegen“, gefallen waren. Aber nach einer Stunde hatten wir alle Fragen soweit geklärt, dass alle bei dem Projekt dabei sein wollten. Die Neugier war dann doch größer als die voran gegangene Skepsis.

Bevor wir loslegten, bat ich die Häftlinge mir ihre wichtigsten Wertvorstellungen aufzuschreiben. Das was ihnen am wichtigsten war an erster Stelle und dann das nächste darunter. Also z.B Familie, Erfolg, Liebe, Geld, etc. Danach sammelten wir die Zettel ein. Am Ende des Seminars befragten wir die Häftlinge dann erneut dazu. Wir wollten feststellen, ob und wenn was sich an den Wertvorstellungen der jungen Leute nach dem Reiki – Seminar verändert hatte.

In meinen normalen Reiki-Seminaren liegt der Schwerpunkt klar auf dem Thema „Reiki und Heilung“. Bei diesem Projekt lag der Schwerpunkt auf Reiki und unter anderem auch der Gewalt. Eine sehr reizvolle Kombination für mich, da ich neben meiner Reiki- Kunst auch seit über 25 Jahren Kampfsportarten wie Kung Fu, Boxen oder dem philipinischen Kali betrieb.

Somit stellte ich dann auch Fragen wie: Was meint ihr, ist der Grund dafür, warum sich Menschen schlagen? Wurdest du schon mal geschlagen? Hast du dich schon mal andere geschlagen? Wie hast du dich dabei bzw. danach gefühlt? Als du gewonnen oder als du verloren hast?

Sehr spannend war dann zum Beispiel zu erfahren, dass sich die Häftlinge sehr bald einig waren, dass Menschen sich wohl aus Angst voreinander Gewalt antun. Ihnen wurde immer klarer, dass Angst ein großer Motivator für Gewalt ist. Dass es nicht nur Täter und Opfer gibt, sondern eigentlich beide dabei Opfer sind. Opfer ihrer Angst, die hinter ihrer Tat steht. Interessant nicht wahr…?!

Nach der gegenseitigen Behandlung im Sitzen fragte ich sie, wie sie sich jetzt fühlten und bekam Antworten wie:
Es war sehr entspannend; Ich habe mich wohl gefühlt; Die Probleme sind irgendwie von mir weggerückt; Irgendwie leichter…; Ich fühle mich seltsam aber angenehm seltsam; Komisch kann es nicht beschreiben, aber es war okay.

Kann das sein, dass ich ein Kribbeln am Kopf gespürt habe? ; Vorhin war ich noch wütend auf einen Wachmann, aber das ist jetzt vorbei; Man vergisst echt kurzzeitig, dass man im Knast ist…

Sehr bald merkte auch ich dann gar nicht mehr, dass ich in einem Gefängnis war und „Häftlingen“ Reiki beibrachte. Ab diesen Zeitpunkt waren es für mich nur noch einfache „Jungs“. Wieder einmal mehr demonstrierte mir Reiki seine wunderbare Kraft der Liebe. Ich sah nur noch die Menschen, nicht mehr die Häftlinge.
Auch die verschiedenen Wachleute und mein Assistent waren sehr erstaunt darüber, was sich vor ihren Augen abspielte. Die Jungs arbeiteten leise und konzentriert miteinander. Sie hörten aufmerksam zu. Ein entspanntes und harmonisches Miteinander beherrschte die ganze Zeit über das Bild.
So etwas kam nicht oft vor.

Am zweiten Tag vor dem zweiten Seminarteil setzten wir uns mit den Jungs für zwei Stunden zusammen und besprachen ihre Eindrücke des vorangegangen Tages. Wir sprachen über Reiki aber auch über Themen wie Respekt. Was bedeutet Respekt eigentlich für euch. Respektiert ihr euch eigentlich auch selbst? Von allen sechs Probanden kam ein klares Nein zu dieser Frage…

Der zweite Seminarteil bestand erst einmal aus Wiederholungen der Eigenbehandlung und dann Wiederholung der Behandlung im Sitzen mit anderen Partnern. Die Reiki Kraft wurde von den Teilnehmern am zweiten Tag stärker wahrgenommen und der Ablauf der Positionen war für die Jungs vertrauter.


Später lernten sie dann die Behandlung bei einer Person im Liegen. Auch hier waren alle wieder sehr konzentriert bei der Sache. Die Reiki Einweihungen hielt ich übrigens in einem kleinen separaten Geräteraum ab, der zwar ungemütlich war, aber kein Problem darstellte, weil sich die Jungs trotzdem bei den Einweihungen wohl fühlten. Auch hier war erstaunlich, wie Respektvoll sie sich mir gegenüber verhielten und wie dankbar sie die Einweihung annahmen.

Nach dem Seminar erhielten dann alle noch mal den besagten „Werte Zettel“. Bei einigen hatte sich in der Wertung tatsächlich etwas verändert. Zum Beispiel waren neue Werte dazu gekommen wie: „Anderen Menschen helfen“ und „Dankbarkeit“. Werte wie „Geld“ waren auf den untersten Plätzen gelandet oder sogar ganz verschwunden.

Auch ich war sehr dankbar, dass ich diese Erfahrung mit den Jugendlichen machen durfte.
Mein Fazit: Jugendliche die gewalttätig werden, haben es meist in ihrem Leben so erlernt und sie haben nie liebevolle Vorbilder gehabt. Sie sind teilweise durch eigene Misshandlungen traumatisiert worden und geben das aus Angst entstandene Leid nun an andere weiter. Es entsteht ein Teufelskreis der Gewalt. Gruppenzwang und Eigendynamik tragen dann ihr zusätzliches dazu bei. Aus solch einem Teufelskreis kann sich ein jugendlicher Mensch nur schwer selbst wieder herausziehen.
Mit Reiki habe ich ein Werkzeug, mit dem ich die Herzen dieser jungen Menschen erreichen kann. Mit Reiki lernen sie sich selbst wert- zu- schätzen, „Selbstvertrauen“ aufzubauen und ihre „Mitte“ zu finden. Durch diese vorher noch nie gemachte Erfahrung lernen sie dann auch andere wert- zu- schätzen. Sie lernen über das Handauflegen, dass sie anderen Menschen etwas Gutes tun können. Nur wer sich selbst liebt, kann auch anderen Menschen Liebe geben.

Meiner Meinung nach hat Reiki in der Gewaltprävention eine große Zukunft. Eines Tages könnte es vielleicht völlig normal sein, dass Reiki im Strafvollzug angewendet wird. Ebenso aber auch in allen Bereichen, die sich mit Gewaltprävention befassen. Das Interesse auf Seiten der Leitung von Hahnöfersand war auf jeden Fall sehr viel versprechend. Es könnte also der erste Schritt in die richtige Richtung gewesen sein. Ich würde mich darüber freuen, wenn mein Beispiel Schule machen würde.

Danken möchte ich meinem Assistenten Dietmar Tamm-Berg und der Justizvollzugsanstalt Hahnöfersand, die durch ihre Mithilfe das Projekt erst möglich gemacht haben.

Anmerkung: Alle Fotos wurden mit dem Einverständnis der Häftlinge veröffentlicht. Zum Schutz der Jugendlichen wurden ihre Gesichter unkenntlich gemacht.

Übrigens: Marco Hennings sucht immer neue Verbündete, die in der Gewaltprävention tätig sind und die offen sind für ungewöhnliche Wege und Möglichkeiten. Sollten auch Sie Interesse an seiner Arbeit haben, oder Sie wünschen sich, dass er mit seinen Team in Ihre Einrichtung kommt, dann setzen Sie sich gerne mit ihm in Verbindung: Art of Healing